Die Gattin eines gefürchteten mexikanischen Kartellbosses zu sein, ist sicher ein hartes Los. Wenn der Ehemann dann spurlos verschwindet, ist es noch härter. Das Luxusleben für Frau und Kinder hat er vorher noch organisiert, aber wohin mit dieser Langeweile? In der Filmoperette â€žEmilia Pérez“, die derzeit mit Preisen und Nominierungen überhäuft wird, findet die von Selena Gomez gespielte Kartellboss-Ehefrau ein Ventil für die ungewisse Lage: Sie singt und tanzt zu Hause auf ihrem Bett – und trägt dabei ein College-T-Shirt mit der Aufschrift Rive Gauche. Die Szene ist in ihrer Doppelfunktion genial. Ein psychologisch nur allzu nachvollziehbares Aufbäumen gegen den lähmenden Alltag und ein Meisterstück des Product-Placements.

Regisseur ist der französische Veteran Jacques Audiard, der vor 16 Jahren mit „Ein Prophet“ den vielleicht besten Mafia-Film des neuen Jahrtausends drehte. Weder er noch der Hauptdarsteller Tahar Rahim haben dafür den verdienten Weltruhm erhalten. Und trotzdem ist im Falle von „Emilia Pérez“ noch ein bisschen interessanter, dass der Film vom Modehaus Saint Laurent mitproduziert wurde.

Film und Mode springen miteinander ins Bett

Das klingt selbstverständlicher, als es ist. Die Liebesgeschichte zwischen Kino und Mode ist natürlich uralt. Die Outfits der Schauspieler waren stets auch integraler Bestandteil der Erzählung, die Emotionsmaschine Film ist bestens geeignet, Kleider mit allem aufzuladen, was Begehren weckt: Sex-Appeal, Allure, Eleganz, beneidenswerte Lebensentwürfe.

Nun aber scheinen Designer und Modeunternehmen entschlossen, eine aktivere Rolle bei der Herstellung bewegter Bilder zu übernehmen. Anthony Vaccarello, seit 2016 Kreativdirektor bei Saint Laurent, geht dabei am weitesten. Schon seine bombastischen Shows (mit Mega-Scheinwerfern vor dem Eiffelturm) evozieren die Überwältigungsästhetik der Kinopionierin und Nazi-Regisseurin Leni Riefenstahl, im Jahre 2023 gründete sein Unternehmen eine Filmabteilung.